Bitte mal kräftig zubeißen!
Für viele Eltern ist es selbstverständlich, dass Babies und Kleinkinder nach der Stillzeit allmählich mit Brei an die sogenannte Beikost gewöhnt werden, bis sie schließlich am Familienessen teilnehmen können. Der Babybrei gehört zum Aufwachsen genauso dazu wie Windeln und lange Nächte.
Das ist bequem für Kinder und Eltern, denn Brei ist praktisch in der Zubereitung, leicht zu füttern, und es besteht kaum die Gefahr des Würgens.
Viele Eltern gewöhnen sich so sehr daran, dass sie aus den Augen verlieren, wie früh Kinder auch schon feste Nahrung probieren können und wie wichtig das Kauen für ihre Entwicklung ist.
Dazu kommt, dass die Lebensmittelindustrie diese Haltung unterstützt und viele Kinderlebensmittel anbietet, die weich sind und ohne viel Kauen geschluckt werden können. Die Regale sind voll von Kinderjoghurts, Milchschnitten, Sandwichbrötchen, süßen Puddings und Fruchtpürees in der Tube, als müsste man selbst größeren Kindern die vermeintliche Last des Kauens ersparen. Das suggeriert vielen Eltern, dass sie ihren Kindern etwas Gutes tun, wenn sie ihnen spezielle, weiche Kindernahrung anbieten, statt sie am Familienessen zu beteiligen.
Dabei ist Kauen wichtig, denn nur beim Kauen wird die Nahrung mit Speichel versetzt und im Mund aufgeschlossen: So entwickelt sich der volle Geschmack der Speisen, und die erste Stufe einer gesunden Verdauung beginnt. Natürlich dauert das Essen dadurch länger, aber das ist auch gut so. Denn nur so kann sich das natürliche Sättigungsgefühl einstellen. Kinder, die ihre Nahrung ohne Kauen in sich hineinschlingen, essen oft viel mehr als sie brauchen und werden übergewichtig.
Außerdem verliert das Essen seine Selbstverständlichkeit, wenn Kinder bei der Auswahl der Lebensmittel immer eine Sonderbehandlung erfahren. Oft ist es dann später schwer, die Kinder mit dem Familienessen zufriedenzustellen, und die Eltern haben das Gefühl, ihre Kinder mäkelten an allem herum.
Deshalb sollten Kinder so früh wie möglich das probieren und mitessen dürfen, was auch die anderen bekommen. In dieser Frage hat sich die Auffassung auch geändert: Schon ab einem halben Jahr können Kinder Kleinigkeiten probieren, auch wenn sie davon nicht viel essen: Sie dürfen an einer Brotrinde kauen, an einem Stück Gurke nagen oder leicht angedünsteten Brokkoli essen.
Etwa mit neun Monaten, wenn sie sich selbst aufrecht halten können, sollten Kinder mit am Tisch sitzen und mitessen – dazu muss das Familienessen aber auch knackig sein.
Nebenbei hat das Essen auch eine wichtige Funktion für die Sprachentwicklung, denn beim Kauen und Schlucken werden auch Muskeln trainiert, die für die Lautbildung und für eine genaue und deutliche Artikulation zuständig sind. Diese Entwicklung dauert bis ins Grundschulalter, und oft sind es gerade die Kinder, die ihren Mund beim Essen kaum bewegen, die auch undeutlich oder fehlerhaft sprechen. Wer bereits den Kleinen etwas zum Kauen gibt, tut ihnen auch in dieser Hinsicht etwas Gutes.